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beachtliche Patientenverfügung

die,

zu beachtende, jedoch den Arzt nicht verpflichtende schriftliche Vorausverfügung einer Person hinsichtlich medizinischer Maßnahmen


Wortart: Wendung
Tags: Amtssprache
Kategorie: Amts- und Juristensprache
Erstellt von: Koschutnig
Erstellt am: 16.10.2011
Bekanntheit: 0%  
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Kommentare (1)


Allerhand! Wirklich beachtlich!

§ 1. [...].
(2) Eine Patientenverfügung kann verbindlich oder für die Ermittlung des Patientenwillens beachtlich sein.
[...]
§ 9. Eine beachtliche Patientenverfügung ist bei der Ermittlung des Patientenwillens umso mehr zu beachten, je eher sie die Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt.
source: Patientenverfügungsgesetz, RIS

Anlass für den Eintrag ist aber nicht der Umstand, dass nach österr. Recht zweierlei „Patientenverfügungen“ existieren, die lebensverlängernde bzw. –verkürzende ärztliche Maßnahmen betreffen – und zwar eine, die beachtet werden muss, und eine, die beachtet werden kann -, sondern der sprachliche Purzelbaum der den Arzt nicht verpflichtenden „beachtlichen Patientenverfügung“.

1.5. Was bedeutet es für den Patienten, wenn er eine beachtliche Patientenverfügung errichtet? […]
In jedem Fall ist die beachtliche Patientenverfügung eine Orientierungshilfe für den Arzt, um den Patientenwillen zu ermitteln. Je mehr Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt sind, umso beachtlicher ist sie für den Arzt. Ist die beachtliche Patientenverfügung weniger bestimmt, muss in Ermangelung eines sonstigen gesetzlichen Vertreters (siehe VI.) ein Sachwalter bestellt werden, der sich dann nach dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen zu richten hat.
source: BM f. Gesundheit, Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte zur … Patientenverfügung



Bedeutungswörterbuch und Stilwörterbuch des DUDEN definieren „beachtlich“ als
a) ziemlich bedeutsam, groß; Achtung, Anerkennung verdienend; Beispiele: beachtliche Fortschritte, Summen, Erfolge, Leistung
b) [verstärkend bei Adjektiven und Verben]sehr; ziemlich: der Baum ist beachtlich groß; sein Guthaben ist beachtlich angewachsen; beachtliche Leistung, beachtliche Erfolge, Beachtliches leisten

Der amtsdeutsche Sprachmeister und Erfinder der „beachtlichen Patientenverfügung“ aber hat entschieden, dass „beachtlich“ fortan die Bedeutung „muss nicht Beachtung finden“ hat.

Diese amtsdeutschösterreichische Auslegung entgegen jedem Sprachgebrauch entspricht in ihrer beachtlichen Eigenwilligkeit etwa der EU-Definition von „Limonade“ nicht als ein verdünnter Zitronensaft, sondern als „gesüßtes alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit Fruchtauszügen oder Aromen auf Basis von Wasser“, wodurch ein/e Cola zur Limonade wird, obwohl es/sie nie eine Limone/Zitrone auch nur aus der Ferne gesehen hat. ( S. Lebensmittelbuch, Codexkapitel B 26, 1.2.2.2 - http://tinyurl.com/3nbykp4 )

Weder Duden noch DWDS haben die beachtliche Verwendungsänderung im Vgl. zur herkömmlichen Bedeutung von „beachtlich“ sowohl in der österr. als auch in der deutschländischen Amtssprache bislang beachtet, wo - wie in der unbeachtlichen Patientenverfügung - „beachtlich“ bedeutet: ' ist zu beachten', ' muss beachtet werden' (bzw. als Attribut 'zu beachtend'):

Die Bedeutungen jedoch laut Duden:
1. ziemlich groß, beträchtlich
2. recht wichtig und bedeutsam; respektabel - Beispiel: er hat eine beachtliche Position, Stellung
3. deutlich erkennbar; sehr
Laut DWDS: ziemlich groß, bemerkenswert
a. eine beachtliche Geldsumme, Menge, Sammlung
b. anerkennenswert: eine beachtliche Leistung
c. ziemlich wichtig: eine beachtliche Position, Stellung
d. dient adverbiell als Verstärkung: beträchtlich: sein Zustand hat sich beachtlich gebessert

In juridischem Amtsdeutsch hingegen finden sich Verwendungen wie
* "ein rechtlich beachtliches Begehren", dessen Nichtbeachtung ...";
* "international beachtliche und unbeachtliche Gerichtsstände",
* " für grundsätzlich beachtlich erklärt" oder auch
„Anforderungen an beachtliche Zustimmungsverweigerung.
Zu den Anforderungen an die Beachtlichkeit einer Zustimmungsverweigerung, wenn eine Verweigerung der Zustimmung durch den Personalrat an gesetzlich zugelassene und abschließende geregelte Weigerungsgründe gebunden ist.
source: Die Personalvertretung

Dazu noch: eine "Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens des Geschäftsherrn"
Zauberhaft, die "Beachtlichkeit" und die "Unbeachtlichkeit". nicht ?
Koschutnig 16.10.2011



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