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Kopfstückel, Kopfstückl

das, -s, -1

Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf als Erziehungsmittel


Wortart: Substantiv
Tags: umgangssprachlich
Kategorie: Zwischenmenschliches
Erstellt von: Koschutnig
Erstellt am: 10.04.2012
Bekanntheit: 33%  
Bewertungen: 1 1

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Kommentare (6)


Nicht gemeint damit
sind etwa kleine „Hauptstücke“ (DUDEN, der sonst kein "Kopfstück" kennt), auch kein Teil des Pferdehalfters ("Hochwertige Trense mit kombiniertem Reithalfter. - Feinstes, weiches englisches Leder - Klassisches Kopfstückl - Nähte in Lederfarbe- Beschläge aus poliertem Messing Absolut hochwertige Verarbeitung und beste Qualität" Kreuzgalopp.com - http://tinyurl.com/c78r6s2 ), auch keine Brustbilder („Zwei Wälsche Kopfstückel in runtten vergoldeten Rahmen auf Bargament“, wie zu lesen im 28. Band des "Anzeigers für Kunde der teutschen Vorzeit",hg. v.
Dt. Nationalmuseum Nürnberg) oder speziell eine Münze mit einem Brustbild ("Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände" von 1835, S. 297) oder gar Teile wie in „nimm den Fisch heraus, und lasse den Sud mit einem Kopfstückel gut einsieden“, (Linzer Kochbuch von 1818),
sondern jener zumeist, doch nicht notwendigerweise eher milde tadelnde Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf, mit dem Gibbs in der „Navy CIS“-TV-Serie hauptsächlich seinen Mitarbeiter Tony DiNozzo zu versehen pflegt.

Auch an der Olmützer Universität wird das Kopfstückel so definiert:
j-m ein Kopfstückel geben = j-m einen leichten Schlag auf den Hinterkopf geben.-
Für seine Frechheit gab ihm die Mutter ein Kopfstückel.
source: Marta Zámečníková,
DAS ÖSTERREICHISCHE DEUTSCH IN DER PHRASEOLOGIE, S. 46


Was allerdings die physische Intensität anlangt, mag das Kopfstückel über den bloß leichten Schlag mitunter auch durchaus hinausgehen und muss auch, wie im 1. Verwendungsbeispiel zu sehen, nicht immer als Erziehungsmittel gedacht sein.

In Herzmanovsky-Orlandos „Gaulschreck im Rosennetz“ nämlich sammelt Herr von Eynhuf Milchzähne, um daraus ein Geschenk für den Kaiser anzufertigen:In Herzmanovsky-Orlandos „Gaulschreck im Rosennetz“ sammelt Herr von Eynhuf Milchzähne, um daraus ein Geschenk für den Kaiser anzufertigen:

Für Kaiser und Vaterland!« schrie er und gab dem Kind ein gewaltiges Kopfstückel.
Ein schriller Schrei antwortete ihm, entsetzt rang sich das blutende Kind von ihm los und spuckte schimmerndes Gold, die geweihte Perle und das Elfenbein der Unschuld.
source: Texte der 45 literarischen Vortragsprogramme im Schloß Hetzendorf und in der Burg zu Perchtoldsdorf 1956–1999 von Ingrid und Gerhard Grau

Koschutnig 10.04.2012


Also kann man auch Kopfnuss dazu sagen (in D)
Compy54 10.04.2012


Die Nuss
wird mit der Faust (Duden: "leichter Schlag mit den Fingerknöcheln gegen den Kopf") - daher das Bild der "Nuss" - abwärts gegeben, das Kopfstückel hingegen aufwärts und mit der flachen Hand. Durch die Fingerknöchel ist die Kopfnuss i.A. wohl auch beträchtlich schmerzhafter als das Kopfstückel, auch wenn Duden meint, es sei ein "leichter Schlag".
Koschutnig 10.04.2012


@Koschutnig - da hab ich wohl die flache Hand übersehen!
Compy54 10.04.2012


1811(!!) berichtet "der Eipeldauer" seinem Vetter von einer Ostermontagsschlägerei, die
auf der Schusterherberg vorgfalln ist - da habn viele Leut z'Wien, die gern alles vergrößern, ein völligen Aufruhr draus machen wolln, und habn durch d' Kavlerie ein Paar Duzer Schustergselln zsammsabeln lassen, und die Lug werden d' auswärtigen Zeitungen gwiß wieder nachschreibn; denn es ist kein wahres Wort dran, Kopfstückl und Faunzen hats freylich unter den Schustergeselln abgsetzt..."
source: Briefe des jungen Eipeldauers an seinen Herrn Vettern in Kakran. Mit Noten von einem Wiener. Jahrgang 1811, 1. Heft, 4
Etwas später bei Nestroy:
Der kecke Mussi Fritz hat sich unterstanden, und hat den fremden jungen Herrn, der erst seit gestern da is, den Herrn von Hellbach, zuerst bey die Ohren genommen, dann gebeutelt, dann mit Kopfstückeln tractiert.
source: Nestroy, Der Treulose oder Saat und Erndte(1836)
Und aus jüngerer, unrühmlicher Vergangenheit:
"Fetzen" waren ebenso Wiener Heil- an der Tagesordnung wie Ohrfeigen, "Kopfstückel", "Reißen an den Haaren" und "Püffe".
source: Susanne Mende, "Die Heil- und Pflegeanstalt 'Am Steinhof' im Nationalsozialismus"

Koschutnig 11.04.2012


Keine Erklärung finde ich  für die Verwendung dieses österr. Wortes - sogar mit der österr. Verkleinerungsnachsilbe -  durch eine Frau, die in der ehem. DDR sozialisiert wurde: 
* In Eveline Hebels Autobiograhie "Der ewige Flüchtling" ist das Kopfstück(el) jedenfalls offenbar schmerzhaft, wenn auch erzieherisch gemeint:
 Mutter hatte nicht so viel Geduld mit mir, bei ihr gab es öfters ein „Kopfstückel“ oder sie zog  an den Rattenschwänzen, worauf ich ein Geheul anstimmte»
source: Eveline Hebel, "Der ewige Flüchtling", (BoD 2010, S. 46)


* Hingegen pädagogisch korrekter trotz strenger Erziehung der oö. Landeshauptmann zur Dollfußzeit, Dr. Joseph Schlegel:
Ab etwa 12 Jahren gibt es bei Kindern kein Kopfstückel mehr: „Jetzt ist es zu spät, das hätte man früher tun müssen."
source: Lebensbilder zur Geschichte Oberösterreichs, Bd. 5, S 109

Koschutnig 07.08.2014



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